Ich rege mich selten auf, wenn es um Ernährung geht.
Bis heute morgen. Da las ich das: „So gefährlich ist Clean Eating“.(1) Reißerisch formuliert soll es Leser locken, was mit Sicherheit funktioniert. Und genau da sehe ich das Problem.
In dem Artikel wird ein britischer Arzt zitiert, der Clean Eating – und im gleichen Atemzug auch andere Ernährungstrends – als die Ursache für die Essstörungen seiner Patienten erkannt haben möchte. Mit dem medizinischen Titel „Orthorexie“ versehen, wird der Eindruck vermittelt, dass ein neues, gefährliches Krankheitsbild entdeckt wurde. Jeder, der gerne an seinem geliebten täglichen Junk Food festhalten möchte, freut sich beim Lesen dieser Zeilen sicher wie ein kleines Kind, hat er nun doch endlich die Grundlage, die alle ‚gesundheitsfanatischen‘ Ernährungstrends in Frage stellt.
Natürlich sind Essstörungen eine ernste Angelegenheit. Das steht außer Frage. Aber dieser Artikel, der aktuell durch die Medien geistert, ist nichts als das reißerische Ausfüllen des alljährlichen Sommerlochs, das zwei Phänomene miteinander verbindet, die wenig miteinander zu tun haben. Ja, auch Medien wollen nicht verhungern. Und greifen zum nächst besten Fake-News-Junkfood.
Tatsächlich ist der Begriff „Orthorexie“ nicht neu. Bereits seit 1997 wird darunter
„eine ausgeprägte Fixierung auf die Auswahl von „gesundem“ und der Vermeidung von „ungesundem“ Essen“ (2)
verstanden.
In Wirklichkeit, so die Erläuterung weiter, erkennt die wissenschaftliche Medizin dies jedoch als Krankheitsbild nicht an. Statt von einer Krankheit ist vielmehr von einem „aufwändigen“ Lebensstil die Rede – was schon deutlich einleuchtender klingt, denn die bewusste Ernährung setzt schon etwas mehr Wissen und Nachdenken voraus, als der Gang zur nächst gelegenen Pommesbude.
Also, lasst euch nicht die Freude an eurem „aufwändigen“ Lebensstil nehmen. Egal ob ihr euch für Clean Eating, Paleo, Low Carb oder vegan entschieden habt, ob ihr euch wegen Unverträglichkeiten gluten- oder laktosefrei ernähren müsst und wollt – alle Ansätze haben eines gemeinsam:
Die Freude an gutem Essen.
Je mehr ich über die Lebensmittel weiß, die ich zu mir nehme, je mehr ich darüber lerne, was meinem Körper gut tut – desto intuitiver kann ich das essen, was mein Körper wirklich braucht. Intuitives Essen – im übrigen ein weiterer sogenannter Ernährungstrend – ist nichts anderes, als das Ergebnis eines positiven Lerneffekts. Ich selbst habe übrigens lange Zeit gerne zum nächst besten Fast Food gegriffen, bis ich von meinen Lebensmittelunverträglichkeiten zwangsgestoppt wurde. Was einige vielleicht als Einschränkung sehen, war für mich tatsächlich eine Bereicherung. Ohne meine Unverträglichkeiten hätte ich mich vielleicht bis heute noch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welche Lebensmittel meinem Körper wirklich gut tun. Und viele der aktuellen Ernährungstrends dienen dabei als äußerst hilfreiche Wegweiser durch den Lebensmittel-Angebotsdschungel, der uns heutzutage umgibt. Die meisten Trends gehen zurück zu der Ursprünglichkeit, mit der sich alle vor der Industrialisierung des Lebensmittelmarktes ernährt haben. Früher war alles regional, saisonal, ungespritzt, naturbelassen und aus artgerechter Tierhaltung. Der einzige Unterschied: Heutzutage müssen wir nach diesem Angebot bewusst Ausschau halten, um es von der Masse der Fertiggerichte und Massenproduktionswaren unterscheiden zu können.
Welchen Ernährungstrend man für sich wählt, das bleibt jedem und seinem individuellen Bauchgefühl selbst überlassen. Denn was alle eint, ist, dass der bewusste Umgang mit Lebensmitteln nicht etwa zu einem zwanghaften, dogmatischen Essverhalten, sondern schlussendlich zu einem völlig intuitiven, positiven Lebensgefühl führt. Glücklich-Essen eben.
Weiterführender Links:
1 https://web.de/magazine/gesundheit/gefaehrlicher-trend-ungesund-clean-eating-32444210
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Orthorexia_nervosa