Gegensätzlicher geht’s doch nicht, würde man meinen. Während die vegane Ernährung den Verzehr tierischer Produkte, allem voran natürlich Fleisch und Eier, ausschließt, propagiert die Paläo-Ernährung auf den ersten Blick das genaue Gegenteil: Fleisch und Eier stehen hier auf der Speisekarte ganz weit oben.
Auf der Suche nach der Ernährungsform, die mir richtig gut tut, war ich um so überraschter, als ich mir die beiden Werke vornahm, die zu den meistgelesenen Werken der jeweiligen Ernährungsform gehören: „Vegan for fit“, von Attila Hildmann und „Das große Buch der Paläo-Ernährung“, von Diane Sanfilippo.
Neben den offensichtlichen Unterschieden zwischen der veganen und der Paläo-Ernährung, fanden sich mehr herausstechende Gemeinsamkeiten, als gedacht.
Im Sinne einer vollwertigen, gesunden, cholesterin- und kohlenhydratarmen Ernährung ist Gemüse in beiden Ernährungsformen von großer Bedeutung. Großteils bzw. vollständig wird in beiden Ansätzen, sei es der von Attila Hildmann oder der von Diane Sanfilippo, auf glutenhaltige Produkte oder ganz auf Getreide verzichtet. Auch der Verzehr von Milchprodukten ist in der Paläo-Ernährung stark eingeschränkt, in der veganen Ernährung ganz gestrichen. Alternativ greifen viele Rezepte auf Nüsse und Saaten sowie gesunde Fette zurück, die den gemüsereichen Speiseplan ergänzen.
Im Wesentlichen gibt es nur einen eklatanten Unterschied: Die Frage nach der Eiweißzufuhr.
Dass Eiweiß ungemein wichtig ist, für eine gesunde Ernährung, da sind sich beide Ernährungsformen einig. Die Frage ist nur: „Mit welchen Lebensmitteln?“
Die vegane Ernährung greift auf Hülsenfrüchte nebst Soja zurück, sei es in Form von Kichererbsen, Bohnen, Edamame (junge Soja-Bohnen), Sojadrinks, fermentierten Soja-Produkten (z.B. Tofu) und weiteren Soja-Produkten.
Hülsenfrüchte inklusive Soja sind hingegen in der Paläo-Ernährung tabu. Alternativ wird hier die Eiweißzufuhr durch den Verzehr von Fleisch und Eiern sichergestellt.
Was das Tierwohl angeht, ist aber doch wieder eine Gemeinsamkeit erkennbar. Während Veganer Tiere tendenziell eher dadurch schützen möchten, dass sie weder Fleisch noch weitere tierische Produkte aus Nutztierhaltung verzehren, schützen Anhänger der Paläo-Ernährung Tiere durch ihren Anspruch an eine artgerechte Tierhaltung, die teilweise sogar über die Bio-Kriterien hinausgeht.
Aber was ist nun besser? Tatsächlich muss das natürlich jeder für sich entscheiden. Mir persönlich fiel die Wahl leicht, nachdem ich beide Ernährungsformen einige Wochen testete.
Fit mit veganem Essen?
Während meiner veganen Testwochen, in denen ich mich zunächst durch geschmacklich unbefriedigende Ersatzprodukte durchprobierte – von veganem Sahnesaucen-Ersatz auf Sojabasis bis veganem Schnittkäse auf Basis von pflanzlichen Fetten – hatte ich tatsächlich Produkte gefunden, die mich überzeugten: Frischkäsealternativen auf Basis von fermentiertem Tofu (von Soyananda) waren für mich beispielsweise geschmacklich ein Glückstreffer. Vor allem die Sorte mit Kräutern sowie die mit getrockneten Tomaten waren so unübertroffen gut, dass selbst Nicht-Veganer keinen nennenswerten geschmacklichen Unterschied feststellen konnten.
Erste Erfolge setzten ein, nach bereits zwei Tagen fühlte ich mich fitter, wacher, energiegeladener. Aber die Freude währte nicht lange. Nach wenigen Wochen ging es mir richtig schlecht. Ich war plötzlich weiter entfernt vom Glücklich-Essen, als ich es seit Beginn meiner Glücklich-Essen-Experimente jemals war. Angefangen von Kopfschmerzen bis hin zu Krämpfen und massiven Verdauungsbeschwerden hatte mich die ganze Palette der Unannehmlichkeiten wieder eingeholt, die mich erwarten, wenn mein Körper Lebensmittel nicht optimal verdauen kann.
So musste ich rasch einsehen: Ich vertrage kein Soja. Selbst fermentierte Sojaprodukte, die allgemein als verträglicher gelten, lösten die ungewünschten Symptome aus. Damit fiel ein doch wesentlicher Eiweißlieferant weg. Blieben die anderen Hülsenfrüchte. Gerade die Eiweißbombe Kichererbse eignete sich – in Form von Humus – ganz hervorragend dazu, gemeinsam mit etwas Reis- oder Mandelmilch, Tomaten- und weitere Saucen zu verfeinern und geschmacklich so abzurunden, als hätte ich klassische Sahne verwendet. Ein absoluter Tip! Nichts desto trotz: Auch Hülsenfrüchte wie Kichererbsen sind schwer verdaulich, so dass ich sie gerne nur in Maßen in meinen Speiseplan aufnehmen wollte.
Fitter mit Paläo?
Also entschied ich mich dafür, anschließend die Paläo-Rezepte durchzuprobieren – und es ging mir ganz hervorragend. Auf Dauer.
Mit viel Gemüse, gesunden Fetten, Samen, Nüssen und neuen Milchprodukte-Alternativen: Geschmacklich ganz weit vorn waren für mich neu entdeckte Lebensmittel, wie Schlagcreme auf Mandelbasis oder Cashew-Frischkäsealternativen (von Soyana und von Happy Cheeze). Interessant war, dass parallel – ganz unabhängig von meinen persönlichen Testwochen – immer mehr Gäste unser Café besuchten, die eine ganz wundersame Bestellung aufgaben: „Ich hätte mein Mittag gerne vegan, gluten- und sojafrei mit Fleisch.“ Als Resultat unseres Komponenten-Systems, mit welchem man in unserem Café das Mittagessen sowohl als vegane und glutenfreie Version bestellen kann als auch Fleisch separat dazu, hatten gewitzte Mütter, die aus gesundheitlichen Gründen auf Milchprodukte und Getreide verzichten sollten, ihr ganz eigenes Paläo entwickelt. Ohne vorher von Paläo gehört zu haben.
Paläo goes Part-time-veggie
Eine Schattenseite der Paläo-Ernährung ist eindeutig der enorme Fleischkonsum, der in gängigen Werken propagiert wird. Aber wer sagt, dass das sein muss? Ich fühlte mich während meiner Testwochen sehr viel fitter, wenn ich mehr gemüsereiche, vegetarische Gerichte kochte und nur ab und zu gutes Bio-Fleisch in meinen Speiseplan integrierte. Tatsächlich ist es kaum vorstellbar, dass unsere steinzeitlichen Vorfahren täglich massenweise Fleisch zur Verfügung hatten, so erfolgreich wird die Jagd kaum gewesen sein. Paläo goes Part-time-veggie ist also ein durchaus paläontologisches Konzept.
Um das Ganze greifbarer zu machen, habe ich für Euch hier eines meiner neuesten Rezepte notiert, das beiden Ernährungsformen gleichermaßen gerecht wird. Probiert es aus und findet euren ganz eigenen Weg – das Tolle ist, dass das Rezept für beide Ansätze genutzt werden kann – sei es als vegane oder als Paläo-Version.
Gefüllte Mandel-Crêpes mit Zucchini und Sommersalat
wahlweise mit Putenfilet aus Freilandhaltung
Zutaten:
Für die Crêpes:
200 g gemahlene Mandeln
Paläo: 1 Ei, Vegan: 1 EL Humus + 1 EL Kichererbsenmehl
250 ml Nussmilch (Mandel, Macadamia oder Cashew)
1 EL Flohsamenschalenpulver
Prise Meersalz
Für die Füllung:
Zucchini
Cherrytomaten
Schlagrahm auf Mandelbasis
Gemüsebouillon
Knoblauchgranulat
Thymian und Rosmarin
frisch gemahlener Pfeffer
geröstete Saaten: Kürbis-, Sonnenblumen- und Sesamkerne
Für den Salat:
Blattsalat der Saison
Möhren
Tomaten
Radieschen
Gurken
Sprossen (z.B. Sango-Rettich-Sprossen)
Weißweinessig
Olivenöl
Dijon-Senf
Ahornsirup
Und für die Eiweißversorgung:
Vegan:
1 Glas Kichererbsen
Paläo:
Bio-Pute aus Freilandhaltung
So wird’s gemacht:
Um Abwasch zu sparen, beginnen wir mit dem Rösten der Kerne in einer beschichteten Pfanne (die Nutzung der Pfanne ist so geplant, dass ihr sie zwischendrin nicht abzuwaschen braucht). Kerne goldgelb bei mittlerer Hitze unter Rühren anrösten, in eine Schüssel umfüllen und bei Seite stellen.
Verrührt dann die Zutaten für die Crêpes mit ein paar Tropfen Olivenöl in einer tiefen Schüssel. Lasst 1 TL Olivenöl in einer beschichteten Pfanne warm werden, gießt etwas Teig in die Pfanne und bratet die Crêpes von beiden Seiten goldgelb an. Lasst die fertigen Crêpes auf einen Teller gleiten und stellt sie abgedeckt im Ofen bei 60 °C warm.
Gebt den Schlagrahm auf Mandelbasis in einen Topf, rührt ihn mit etwas heißem Wasser glatt, gebt ein wenig Gemüsebrühe, Knoblauchgranulat und Pfeffer hinzu. Veganer geben die abgetropften Kichererbsen mit in den Topf. Unter Rühren kurz aufkochen lassen und bei Seite stellen.
Zucchini waschen und in dünne Scheiben schneiden. Mit Olivenöl, Thymian, Rosmarin und Knoblauchgranulat in der beschichteten Pfanne bei hoher Hitze kurz anschwenken, zur Soße mit in den Topf geben. Cherrytomaten waschen und und in kleine Stücke schneiden, mit in die Soße geben und unterheben.
Paläo: Bio-Pute in Olivenöl mit etwas Meersalz, Rosmarin und Thymian von beiden Seiten scharf anbraten, auf einem Teller abgedeckt bei 60 °C 10 Minuten im Ofen ruhen lassen.
Für den Salat Tomaten, Radieschen und Gurken waschen und klein schneiden, Möhren schälen, dann in Form von Bandnudeln mit dem Sparschäler weiterschälen, bis nur noch das Mittelstück übrig bleibt. Das Mittelstück klein schneiden und mit Tomaten, Radieschen und Gurken in eine Schüssel geben, mit etwas Weißweinessig, Olivenöl und Meersalz würzen. Für das ergänzende Dressing Weißweinessig, Meersalz, Dijon-Senf und Ahornsirup mit einem Schneebesen in einer Schüssel verrühren, schrittweise unter Rühren Olivenöl hinzugeben, bis eine sämige Konsistenz entsteht. Blattsalat waschen und zupfen.
Das Anrichten:
Crêpe auf einen Teller legen, Zucchini-Tomaten-Mandel-Füllung auf eine Hälfte geben, Crêpe einmal umklappen. Möhren-Bandnudeln als Nest auf dem Crêpe platzieren, mit gerösteten Saaten und Sprossen bestreuen. Salat neben dem Crêpe anrichten, Dressing auf den Salat träufeln. Paläo: Putenfilet auf dem Crêpe platzieren, ggf. mit (gerne auch pflanzlicher) Kräuterbutter garnieren.
Fertig.
Probiert es aus. Gebt mit Feedback, welche Erfahrungen ihr gemacht habt. Ich bin gespannt!
Meine bisherigen Rezepte waren großteils als klassische, laktosefreie, glutenfreie und vegane Version konzipiert. Nun werde ich bei der Konzeption zukünftiger Rezepte auch die Paläo-Komponente integrieren – für alle, die sich auf der Suche nach der Ernährungsform, die sie glücklich macht, für diese Möglichkeit entschieden haben.